„ÖKOLOGIE, RETTUNG DER MENSCHHEIT UND DER GESAMTEN SCHÖPFUNG“
von Neuem wurde uns die
Möglichkeit gegeben, uns in dieser Zeit zu begegnen, die für die gesamte
Menschheit viele Schwierigkeiten mit sich bringt, aber zugleich günstig
dafür ist, sich Fragen zu stellen, zu meditieren, zu beten und sich für
den Aufbau einer besseren Gesellschaft einzusetzen, die in der Lage
ist, sich den großen Herausforderungen unserer Gegenwart zu stellen.
Diese betreffen nicht nur einzelne Völker oder Nationen, sondern das
gesamte Leben in unserem wunderbaren gemeinsamen Haus, der Welt, jener
Gabe der Barmherzigkeit unseres Gottes.
Um eine Geschwisterlichkeit
aufzubauen, aus der Friede und Gerechtigkeit, Respekt und gegenseitiges
Verständnis hervorgehen und in der man sich als Familienangehörige eines
einzigen Haushalts versteht, müssen wir mit der Pflege unseres eigenen
Hauses beginnen, in dem wir uns alle befinden, als Kinder der Menschheit
und gemeinsam mit allen Geschöpfen Gottes. Zu Ende ist die Zeit, in der
die Ökologie eine Modeerscheinung war, in der sie idealisiert oder
ideologisiert wurde. Es ist der Moment des Handelns gekommen.
Sicherlich haben sich viele
Nationen, Bewegungen, Denkweisen, Wissenschaftler oder einfache
Bürgerinnen und Bürger dieser Welt seit langer Zeit für die Pflege
unseres kranken Planeten eingesetzt – und setzen sich dafür ein. Unser
Ökumenisches Patriarchat hat seit über dreißig Jahren die spirituellen
Wurzeln der ökologischen Krise aufgezeigt, es wurden Kongresse
abgehalten, Begegnungen, Seminare, ökologisches Papier beschrieben. Doch
all dies wurde in Windeseile verdrängt durch die weltweite Krise im
Gesundheitswesen und in der Weltwirtschaft, die durch die momentane
Pandemie hervorgerufen wurde. Diese Pandemie hat uns alle vor neue
Fragen gestellt.
Der Einsatz für unser gemeinsames
Haus muss neue Wege gehen und sich in einer neuen Perspektive
entwickeln. Wir müssen die gegenwärtige säkulare soziokulturelle Ordnung
umstoßen und das göttliche Fragment wahrnehmen, das ihr innewohnt.
Im 6. Jahrhundert v.Chr. führte
der griechische Philosoph Anassimène von Milet die Theorie der vier
Elemente ein, die bis zum heutigen Tag unsere gesamte Geschichte
durchzog. Seit den Ursprüngen haben die Philosophen, Mathematiker und
Alchemisten die vier Naturelemente untersucht und erforscht, die
grundlegend sind für die Zusammensetzung unseres Planeten: Luft, Wasser,
Feuer und Erde. Alle sind in ihrer Weise gleich wichtig, sie stehen in
einem ständigen Wechselverhältnis zueinander und bilden die Grundlage
für die harmonische Entwicklung des Lebens und die Regeln der
Entwicklung unserer Welt. Heute ist der Moment gekommen, an dem wir
verstehen, dass sie in der Beziehung zum Leben in sich das Paradigma des
gemeinsamen Hauses tragen. Ohne die Bewahrung der natürlichen Umwelt,
ohne das gemeinsame Haus gehören die vier Elemente dem kosmischen Raum
an, doch nicht dem von Gott geschaffenen Leben. Hieraus folgt die
Notwendigkeit, unser gemeinsames Haus auf der gleichen Ebene mit den
vier Elementen zu erbauen, denn nur mit ihnen ist die Rettung des
Menschheitsgeschlechts und aller Geschöpfe möglich.
Zugleich bieten uns die großen
Religionen der Welt und ihre Heiligen Texte einen Rahmen, der dem
göttlichen Handeln Gottes sehr nahe ist, in dessen Zentrum der Mensch
steht. Der Mensch ist Teil der Schöpfung mit allem, was diese enthält.
In der christlichen Tradition wurde der Mensch zum Abbild und Ebenbild
Gottes erschaffen. Häufig wurde dies durch eine bestimmte Weise
der Theologie interpretiert, die den Mensch als in gewisser Weise dem
Rest der Schöpfung überlegen sieht, als sei das menschliche Wesen nicht
Teil jener „lebendigen Seele“, die im gesamten Schöpfungsakt Gottes
anwesend ist, sondern der absolute Beherrscher des Universums. Wir
müssen auch dieses anthropologische Verständnis umwerfen und verstehen,
dass das gemeinsame Haus einem Spiegelsaal gleicht. Ein Spiegel, in dem
wir uns sehen, reflektiert unser Bild, wie auch das unseres Bruders und
unserer Schwester und mit uns alle Elemente dessen, was geschaffen
wurde. Geschaffen zum Abbild und zum Ebenbild Gottes, sehen wir in uns
das Abbild unseres Bruders und unserer Schwester und in jedem
menschlichen Wesen ein göttliches Fragment. Wenn wir um uns blicken,
erkennen wir das göttliche Werk , deren Teil wir sind.
Der hieraus folgende soziokulturelle und anthropologische Umsturz führt uns dazu, die Ökologie als ein Zeichen des Göttlichen in der Schöpfung zu erkennen. Folglich dürfen wir von Ökologie nicht mehr im Sinne eines bedeutenden Phänomens oder eines Themas unserer Zeit sprechen – vielmehr ist sie die Luft, die wir atmen. So kann die Menschheit ihre Rolle als Wächterin und Wirtschafterin des Geschaffenen wieder neu einnehmen: Ohne Raum für Fundamentalismen, soziale Ungerechtigkeit und die Gier nach Vorherrschaft, sondern indem die gesamte Schöpfung in neuer Weise an den Gütern dieser Welt teilhaben wird. Im gemeinsamen Haus - εν τῷ οίκῳ – sind Geschwisterlichkeit und Frieden nicht Elemente eines religiösen oder kulturellen Fundamentalismus, sondern bedeuten die Freiheit, die uns in diesem dunklen Moment unserer Erde verstehen lässt: „Niemand rettet sich allein“.
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