Wien, 02.03.2022 (KAP) Heftige Kritik an der Führungsebene des Moskauer
Patriarchats, aber auch an "naiven" westlichen Theologen, die um der
Ökumene Willen zu Moskau-freundlich sind, hat der Wiener
Ostkirchen-Experte Prof. Thomas Mark Nemeth geübt. Er äußerte sich in
einem aktuellen Podcast der Katholischen Akademie in der Diözese
Dresden-Meißen (https://lebendig-akademisch.podigee.io/168-putins-kampf).
Wladimir Putins Aggression habe die Ukraine geeint. Die Menschen würden
nicht nur ihr Land, sondern ganz allgemein Menschenrechte und
Menschenwürde verteidigen, so Prof. Nemeth. Das Tragische an Putins
Krieg sei zudem, dass er diesen nicht nur gegen die Ukraine, sondern
auch einer gegen die eigenen Landsleute und deren Zukunft führe.
In der Ukraine gibt es seit 1996 einen gesamtukrainischen Rat der Kirchen und Religionen, der mehr als 95 Prozent des religiösen Sektors abdeckt. "Und dieser hat einstimmig die Aggression Russlands verurteilt und sich auch für den Frieden ausgesprochen", so Nemeth. Putin habe so die Religionen zusammengeschweißt und die existierenden Konflikte in den Hintergrund treten lassen. Man höre auch Stimmen, wonach die tragischen Ereignisse vielleicht auch ein Schritt hin zur Wiedervereinigung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der Orthodoxen Kirche der Ukraine sein könnten. Aber hier müsse man erst einmal die nächsten Entwicklungen abwarten, so Nemeth.
Im Blick auf das Moskauer Patrtiarchat verwies Nemeth auf den Theologen Cyril Hovorun, der der Russisch-orthodoxen Kirche (ROK) angehört. Dieser meine, dass sich die ROK seit den Pussy Riot-Aufregungen 2011 von einer Art Zivilreligion zu einer politischen Religion gewandelt habe, "also eine Wandlung von einer Glaubensgemeinschaft hin zu einem ideologischen Gebilde durchgemacht hat".
Man sehe, dass die Leitung der ROK aktuell gelähmt und zur Selbstreflexion nicht in der Lage sei. Und dies vor dem Hintergrund, dass sich sogar die zum Moskauer Patriarchat gehörende Ukrainisch-Orthodoxe Kirche inzwischen sehr deutlich gegen die russische Aggression ausgesprochen habe. Die Moskauer Kirchenleitung sei zu sehr mit der Politik Putins verwoben, so Nemeths Befund.
Es sei ihm zugleich aber wichtig zu betonen, dass es in Russland ein kirchliches Leben jenseits dieser Leitung gibt, "mit auch sehr mutigen Vertretern". Nemeth erinnerte an den früheren Chefredakteur des Journals des Moskauer Patriarchats, Sergej Tschapnin, der 2015 entlassen wurde. Dieser habe aktuell deutlich Patriarch Kyrills Schweigen kritisiert "und dafür braucht man wirklich großen Mut in Russland. Und diese Leute sind wirklich zu unterstützen."
Kritik übte der Wiener Ostkirchen-Experte auch an manch westlichen Theologen, die seiner Meinung nach - um der Ökumene willen - zu viel Verständnis für die ROK aufbringen würden. Denn: "Mit einem Dialog um jeden Preis kann man auch einen Dialog der Unwahrheit begünstigen, anstatt die Dinge beim Namen zu nennen." Derzeit müssten viele ihren Kopf für die Wahrheit hinhalten; nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland. Die Theologie erscheine ihm manchmal "ziemlich naiv, auch im Westen", so Nemeth. Nachsatz: "Wir brauchen eine kritische Theologie."
Von einem möglichen baldigen Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill versprach sich Nemeth keinen Nutzen. Er sei auch vom Papst enttäuscht, weil dieser bisher nicht direkt den russischen Angriff verurteilt und den Aggressor beim Namen genannt habe.
Man werde wohl in Zukunft weniger auf Kirchenoberhäupter, sondern mehr auf die kirchlichen Gemeinschaften vor Ort setzen müssen, so das Resümee des Theologen. Und er fügte wörtlich hinzu: "Je länger ich Priester bin, desto mehr habe ich auch Verständnis für die Leute, die mit den Kirchen als Institution brechen; wenn jetzt etwa ein Oberhaupt wie Kyrill eine Rechtfertigung dafür liefert, dass junge Leute in den Tod geschickt werden. Er trägt damit dazu bei, dass die Menschen nicht nur ihn ablehnen, sondern auch nicht mehr den Weg zu Gott über die Kirche finden können." Und dafür werde er die Verantwortung tragen.
Nemeth ist Priester der griechisch-katholischen Erzdiözese Lemberg, seine Frau stammt aus der Stadt und das Paar hat viele Verwandte, Freunde und Kollegen vor Ort. Die Menschen seien angespannt, aber entschlossen, sich zu verteidigen, berichtete Nemeth von der Situation vor Ort. Die Welt sehe mit Wolodymyr Selenski einen würdigen ukrainischen Präsidenten "und viele würdige Mitbürger, die sich verteidigen und einander helfen". Nun würden auch die internen politischen und kulturellen Differenzen keine wesentliche Rolle spielen.
Die Ukraine wurde sowohl von Putin als auch vom Westen unterschätzt. "Und die Ukrainerinnen und Ukrainer, die jetzt ihren Kopf hinhalten, verteidigen nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschenwürde", betonte Nemeth. Die Menschen fühlten sich auch vom Westen im Stich gelassen. Zugleich gebe es Hoffnung, dass die Unterstützung nun zunehmen und dafür gebe es auch Anzeichen.
In der Ukraine gibt es seit 1996 einen gesamtukrainischen Rat der Kirchen und Religionen, der mehr als 95 Prozent des religiösen Sektors abdeckt. "Und dieser hat einstimmig die Aggression Russlands verurteilt und sich auch für den Frieden ausgesprochen", so Nemeth. Putin habe so die Religionen zusammengeschweißt und die existierenden Konflikte in den Hintergrund treten lassen. Man höre auch Stimmen, wonach die tragischen Ereignisse vielleicht auch ein Schritt hin zur Wiedervereinigung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der Orthodoxen Kirche der Ukraine sein könnten. Aber hier müsse man erst einmal die nächsten Entwicklungen abwarten, so Nemeth.
Im Blick auf das Moskauer Patrtiarchat verwies Nemeth auf den Theologen Cyril Hovorun, der der Russisch-orthodoxen Kirche (ROK) angehört. Dieser meine, dass sich die ROK seit den Pussy Riot-Aufregungen 2011 von einer Art Zivilreligion zu einer politischen Religion gewandelt habe, "also eine Wandlung von einer Glaubensgemeinschaft hin zu einem ideologischen Gebilde durchgemacht hat".
Man sehe, dass die Leitung der ROK aktuell gelähmt und zur Selbstreflexion nicht in der Lage sei. Und dies vor dem Hintergrund, dass sich sogar die zum Moskauer Patriarchat gehörende Ukrainisch-Orthodoxe Kirche inzwischen sehr deutlich gegen die russische Aggression ausgesprochen habe. Die Moskauer Kirchenleitung sei zu sehr mit der Politik Putins verwoben, so Nemeths Befund.
Es sei ihm zugleich aber wichtig zu betonen, dass es in Russland ein kirchliches Leben jenseits dieser Leitung gibt, "mit auch sehr mutigen Vertretern". Nemeth erinnerte an den früheren Chefredakteur des Journals des Moskauer Patriarchats, Sergej Tschapnin, der 2015 entlassen wurde. Dieser habe aktuell deutlich Patriarch Kyrills Schweigen kritisiert "und dafür braucht man wirklich großen Mut in Russland. Und diese Leute sind wirklich zu unterstützen."
Kritik übte der Wiener Ostkirchen-Experte auch an manch westlichen Theologen, die seiner Meinung nach - um der Ökumene willen - zu viel Verständnis für die ROK aufbringen würden. Denn: "Mit einem Dialog um jeden Preis kann man auch einen Dialog der Unwahrheit begünstigen, anstatt die Dinge beim Namen zu nennen." Derzeit müssten viele ihren Kopf für die Wahrheit hinhalten; nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland. Die Theologie erscheine ihm manchmal "ziemlich naiv, auch im Westen", so Nemeth. Nachsatz: "Wir brauchen eine kritische Theologie."
Von einem möglichen baldigen Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill versprach sich Nemeth keinen Nutzen. Er sei auch vom Papst enttäuscht, weil dieser bisher nicht direkt den russischen Angriff verurteilt und den Aggressor beim Namen genannt habe.
Man werde wohl in Zukunft weniger auf Kirchenoberhäupter, sondern mehr auf die kirchlichen Gemeinschaften vor Ort setzen müssen, so das Resümee des Theologen. Und er fügte wörtlich hinzu: "Je länger ich Priester bin, desto mehr habe ich auch Verständnis für die Leute, die mit den Kirchen als Institution brechen; wenn jetzt etwa ein Oberhaupt wie Kyrill eine Rechtfertigung dafür liefert, dass junge Leute in den Tod geschickt werden. Er trägt damit dazu bei, dass die Menschen nicht nur ihn ablehnen, sondern auch nicht mehr den Weg zu Gott über die Kirche finden können." Und dafür werde er die Verantwortung tragen.
Nemeth ist Priester der griechisch-katholischen Erzdiözese Lemberg, seine Frau stammt aus der Stadt und das Paar hat viele Verwandte, Freunde und Kollegen vor Ort. Die Menschen seien angespannt, aber entschlossen, sich zu verteidigen, berichtete Nemeth von der Situation vor Ort. Die Welt sehe mit Wolodymyr Selenski einen würdigen ukrainischen Präsidenten "und viele würdige Mitbürger, die sich verteidigen und einander helfen". Nun würden auch die internen politischen und kulturellen Differenzen keine wesentliche Rolle spielen.
Die Ukraine wurde sowohl von Putin als auch vom Westen unterschätzt. "Und die Ukrainerinnen und Ukrainer, die jetzt ihren Kopf hinhalten, verteidigen nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschenwürde", betonte Nemeth. Die Menschen fühlten sich auch vom Westen im Stich gelassen. Zugleich gebe es Hoffnung, dass die Unterstützung nun zunehmen und dafür gebe es auch Anzeichen.
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