Erklärung des Vorsitzenden
der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron,
aus Anlass der Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee
der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron,
aus Anlass der Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee
Köln/Frankfurt am Main, 23. Juli 2020
„Der 24. Juli 2020 bedeutet das Ende einer Epoche.
Durch einen administrativen Akt des türkischen Staatspräsidenten
verliert die Hagia Sophia in Istanbul den Status eines Museums, den sie
seit 1935 besaß, und wird zur Moschee gemacht. Dieser staatliche Akt
geschieht – wie so häufig in der Türkei – unter scheinbarer Wahrung der
Rechtstaatlichkeit. Das im 6. Jahrhundert gebaute Gotteshaus, das unter
Kaiser Justinian als christliche Kirche erbaut wurde und über neun
Jahrhunderte als solche diente, wird, wie 1453 nach der Eroberung
Konstantinopels durch die Osmanen, erneut zur Moschee. Seit dem 1.
Februar 1935 stand sie dann als Museum allen Besucherinnen und Besuchern
offen, wie es der Gründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk,
verfügt hatte. Im Bewusstsein der orthodoxen Christinnen und Christen
blieb und bleibt die Hagia Sophia allerdings die „Große Kirche Christi“.
So ist es kein Zufall, dass Vertreter aller orthodoxen Patriarchate und
autokephalen Kirchen gegen die Entscheidung der türkischen Regierung
protestiert haben. Doch auch viele Vertreterinnen und Vertreter anderer
Kirchen, europäischer und weltweiter Institutionen, nicht zuletzt der
UNESCO, zu deren Welterbe die Hagia Sophia ja gehört, haben ihre
Bestürzung über diesen Vorgang geäußert, der offenkundig nicht religiöse
Bedürfnisse, sondern innen- und außenpolitische Ambitionen des
türkischen Präsidenten befriedigen soll. Deshalb richten sich diese
Proteste – und auch die vorliegende Erklärung – nicht gegen den Islam
oder das islamische Gebet, sondern gegen den Missbrauch der Religion,
der hier zutage tritt.
Zwei Aspekte, die nur wenig zur Sprache gekommen
sind, gilt es dabei besonders hervorzuheben: Zum einen ist die Hagia
Sophia für die weltweite Christenheit nicht – wie behauptet wurde –
„irgendein Gebäude, um das auf einmal so viel Aufhebens gemacht wird“.
Vielmehr ist sie auch jene Kirche, auf deren Hauptaltar am 16. Juli 1054
der päpstliche Legat Humbert von Silva Candida das Bannschreiben über
Patriarch Michael Kerullarios niederlegte, was zur Großen
Kirchenspaltung zwischen Ost- und Westkirche führte. Sie ist also der
symbolträchtige Ort, an dem damals das Schisma proklamiert wurde und der
heute deshalb für alle, die in der Ökumene tätig sind, ein Mahnmal für
die Wiederherstellung der Einheit der Kirche darstellt.
Zum anderen lässt die bewusste Wahl des 24. Juli als
Datum der Umwidmung nichts Gutes erahnen, handelt es sich doch um den
Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrages von Lausanne (1923), in dem
in den Artikeln 37-44 auch die Rechte der nicht-muslimischen
Minderheiten bzw. die Verpflichtung der Türkei, diese und ihre
religiösen Einrichtungen zu respektieren, festgeschrieben wurden. In den
vergangenen Jahren stellte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip
Erdoğan immer wieder diesen Vertrag in Frage. Seine Vorliebe für
Symbolpolitik, die mal wieder durch diese Datumswahl deutlich wird, geht
also offensichtlich auch zu Lasten der christlichen Minderheit in der
Türkei. Ihr Schicksal kann und darf uns als Christen nicht gleichgültig
sein. Zu oft haben wir unsere Stimme nicht laut genug erhoben, wenn es
um den Genozid an den Armeniern und anderen Völkern, um die
Septemberpogrome des Jahres 1955, um die Ermordungen von christlichen
Missionaren und Würdenträgern oder die zahllosen Enteignungen von
Gebäuden und Grundstücken aller christlichen Kirchen des Landes ging.
Auch die Umwidmung der Hagia Sophia ist eine
Enteignung, nicht im immobilienrechtlichen, sondern im geistlichen Sinn.
Und sie bedeutet das endgültige Ende einer säkularen, laizistischen,
europäischen modernen Türkei, wie sie Atatürk vorschwebte, der die Hagia
Sophia zum Museum gemacht hatte. Der 24. Juli 2020 bedeutet das Ende
einer Epoche.“
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